Ein Erfahrungsbericht.
Wir sind als Paar nun schon seit fast drei Jahren nonstop 24 Stunden zusammen in der Welt unterwegs. Wie ist das? Mögen wir uns noch? Fühlt sich unser Leben seit beinahe drei Jahren wie endlose Ferien an? Sind es Momente des ständigen Glücks?! Auch, aber nicht nur.
Vermutlich kann sich niemand, der nicht auch schon länger unterwegs war, vorstellen, wie es wirklich ist, fast drei Jahre zusammen unterwegs zu sein – wir selbst eingeschlossen.
In unseren Vorstellungen vor Reisebeginn, war ständig schönes Wetter, wir tingelten von einem Strand zum nächsten und hatten ganz viel Zeit für alles mögliche – um Brot zu backen, gut und gesund zu kochen, um hunderte Bücher zu lesen, um stundenlange Spaziergänge zu machen, um tagelang in der Hängematte zu liegen, alle Städte anzuschauen, Ausflüge zu machen – und all das in trauter Zweisamkeit.
Wir stellten uns vor, nur wenige Kilometer pro Tag zu fahren und langsam vom einen Ort zum andern zu ziehen. Wir malten uns die schönsten Stellplätze aus und sahen uns jeden Abend um ein Lagerfeuer sitzen. Kurzum wir waren dem, achso romantischen, Campingbild verfallen…
Start mit Tücken
Aber zurück zum Start. Nach vier Jahren sparen, vorbereiten und organisieren können wir es kaum erwarten, unterwegs zu sein!
In unserem Kopf noch immer das perfekte Bild, mit Anforderungen an uns und das gemeinsame Unterwegssein. Dieses Bild wackelt aber rasch und macht den Start nicht einfacher.
Das Zusammenleben unterwegs muss sich bei uns erst einstellen. Es gilt herauszufinden, welche Abläufe Sinn machen, was am Besten wo verstaut wird, wie man die Moskitos draussen hält, welche Stellplätze gut sind, wer wann Pause braucht, wie viel gefahren wird.
Obwohl wir seit Jahren zusammenleben und reisen, haben wir ein paar Diskussionen. „Wir müssten doch einfach nur glücklich sein, alles sollte schön und gut sein, schliesslich erfüllt sich gerade einer unserer Lebensträume und wir sind endlich unterwegs“, Vorstellungen mischen sich mit dem Ist-Zustand, was den Einstieg nicht gerade einfacher macht….
Die Zeit, die Zeit
Wir realisieren, das Autofahren ist anstrengend. Die Distanzen sind riesig. Frei sind wir theoretisch schon, praktisch aber bestimmen Aufenthaltserlaubnisse, Jahreszeiten und die eigene Entdeckungslust das Reisetempo.
Um vorwärts zu kommen, müssen, gerade in grossen Ländern wie Kanada, USA oder auch Brasilien viele Kilometer/Stunden gefahren werden – nichts mit „langsam von einem Ort zum nächsten tingeln“, zumindest nicht, wenn man nicht unbegrenzt Zeit (sprich Geld) hat.
Neben dem Reisen braucht auch der „Haushalt“ Zeit. Alles ist improvisierter, was, wo zu bekommen ist, muss erst herausgefunden werden. Alles breucht ZEit.
Dann müssen wir uns um den nächsten Schlafplatz bemühen, eine Dusche finden und bräuchten mal wieder Internet. Eine Sehenswürdigkeit besucht oder die nächste Etappe geplant haben wir da noch nicht, Zeit fürs Nichtstun ist auch noch nicht eingerechnet…
Als wir noch zu Hause waren und von anderen Reisenden gelesen haben, die sich „beklagt“ haben, zu wenig Zeit zu haben, hatten wir das Gefühl, dies sei Klagen auf sehr hohem Niveau. Nun merken wir, da ist was dran… Vor allem für uns bleibt weniger Zeit, als wir uns das ausgemalt haben.
Camping-Freuden
Alles mühsam und kompliziert also? Mitnichten, dieser Eindruck soll nicht entstehen!
Nach ein paar Wochen, wissen wir, was für uns passt, wir finden unser Reisetempo.
Wir entwickeln ein Auge für schöne Stellplätze, finden heraus wo es Wlan gibt. Wir merken, nicht jede Wanderung gemacht haben zu müssen, Mut zur Lücke zu haben (wobei wir uns darin noch immer üben;)).
Spätnachmittags seine Stühle nebeneinander in einem kleinen Wäldchen, oberhalb einer Klippe aufzustellen, in ein selbstgemachtes Hummer-Sandwich zu beissen und dazu mit dem Fernglas den Walen im Meer unten beim Luftholen zuzuschauen kommt, dem romantischen Campingbild dann doch wieder ganz nah – zum Glück wird es solche Momente auf unserem ganzen Weg nach Süden immer und immer wieder geben.
Und es ist wahnsinnig schön, diese Momente mit dem Liebsten teilen zu können.
Freiheitsgefühle
Ja, auch das Gefühl der Freiheit stellt sich bald ein. Es beginnt damit, aufzustehen wann wir möchten, immer Zeit für ein ausgedehntes Frühstück zu haben. Es geht weiter damit, dass Pläne jederzeit geändert oder über den Kopf geworfen werden können.
Dass wir bleiben, wo es gefällt oder eben weiterziehen. Dass wir mit Reisebekanntschaften den ganzen Nachmittag verquatschen können und dabei ganz und gar vergessen, was wir eigentlich geplant hatten. Dass wir uns alles anschauen können, das wir möchten, jeder Platz ein möglicher Schlafplatz sein kann. Dass wir stundenlang einer Bärenmama mit ihren Jungen zuschauen können, dass wir auch erst um Mitternacht den Grill anwerfen können.
Es geht soweit, dass Daten, Wochentage und Zeiten keine Bedeutung haben, dass der natürliche Tag-, Nachtrhythmus unser Sein bestimmt. Etwas, von dem wir immer geträumt haben.
Die Freiheit fühlt sich ungemein gut an. Und einmal davon gekostet wird ein Zurück wohl schwierig sein…
Spontan, spontan
Für einmal keine leere Floskel.
Spontan bist du schon, oder wirst es spätestens auf einer Reise.
So vieles ist unplanbar und unser Tag kommt unzählige Male anders heraus, als gedacht. Spontan sein zu können, empfinden wir als sehr bereichernd, zumindest meist.
Erst als wir schon eine Weile unterwegs sind und wenn „die äusseren Umstände“ (Klima, Sicherheit, Schlafplatzsuche, Hunger) gerade etwas schwierig sind, wünschen wir uns manchmal doch etwas Kontinuität…
Interessant ist aber zu sehen, dass wir lernen mit der Ungewissheit zurecht zu kommen. Mit der Zeit werden wir nicht mehr nervös, wenn wir im Dunkeln noch herumkurven und keine Ahnung haben, wo wir denn heute schlafen werden.
Wir beginnen auf die eigenen Fähigkeiten und darauf, dass alles gut kommt, zu vertrauen.
Soziales Umfeld
Fast immer werden wir gefragt, wie wir uns das Reisen leisten können, fast nie, wie es denn ist, solange ohne Familie und Freunde zu sein.
Wir lernen viele neue Leute kennen und es entstehen schöne Freundschaften. Alte Freunde, die wir seit Jahren kennen, denen wir uns nicht erklären müssen, können sie unserer Meinung nach aber nicht ersetzen.
Immer wieder wünschen wir uns in der Nähe von Familie und Freunde zu sein. Vermissen gute Gespräche und die Nähe. Wir verpassen Hochzeiten, Geburtstage, Geburten, Weihnachtsfeste. Es ist ein gewisser Preis. Und wir sind trotz allem (meist) bereit ihn zu bezahlen.
Immer zu 2t
Als Paar ständig zusammen zu sein, jeden Konflikt aushalten und lösen zu müssen. Nur bedingt ausweichen zu können – da gibt es keine Tür, die man zumachen könnte – im gleichen Boot, respektive Auto, zu sitzen, ist nicht nur leicht. Sollte man sich als Paar noch nicht so gut kennen, spätestens nach einer solchen Reise tut man es!
Im Gegenzug schweisst eine so intensive Zeit ungemein zusammen. Wir funktionieren als Team und es ist ein sehr gutes Gefühl, zu erkennen, was wir gemeinsam alles erreichen, welche Situationen wir meistern können.
Solch intensive Erlebnisse nicht alleine machen zu müssen, sondern sie teilen zu können, ist bereichernd und je nachdem auch sehr hilfreich. Gerade Tiefs halten sich zu zweit im Idealfall besser aus.
Und, es gibt genügend Gesprächsstoff – vermutlich für ein ganzes Leben lang. Weisst du noch damals, weisst du noch hier, weisst du noch dort… In Erinnerung zu schwelgen ist wunderbar!
Und bei Streit?!
Selbstverständlich gibt es Konflikte, Diskussionen, auch einmal Streit. Ein Patentrezept, wie damit umzugehen, haben wir nicht.
Uns hilft: wir sind beide überhaupt nicht nachtragend und verzeihen schnell.
Für uns stimmt auch, wenn möglich, ab und zu etwas getrennt zu unternehmen. Selbst wenn es nur ein kleiner Spaziergang ist. Jeder hat ein paar Minuten für sich, erlebt etwas, das der andere nicht erlebt. Beim Erzählen davon, sieht die Welt meist bereits wieder besser aus.
Veränderungen
Gut möglich, dass sich Lebensentwürfe auf einer solchen Reise zu verändern beginnen.
Gut möglich, dass ein 0815-Leben nicht mehr vorstellbar ist, wenn man tagelang draussen in einsamer Natur verbracht hat, so viele verschiedene Menschen mit solch unterschiedlichen Lebensarten kennengelernt hat, mit eigenen Augen gesehen hat, wie wundervoll diese Welt ist, wie schnell die Zeit verstreicht, was für ein kostbares Gut sie ist.
Gerade geht es uns so und wir versuchen herauszufinden, in welche Richtung es für uns gehen könnte.
Unbezahlbar!
Wenn wir die rosarote Brille abziehen, wird uns bewusst, dass unsere Vorstellungen und die Realität nicht immer ganz deckungsgleich sind, nicht alles nur positiv ist. Doch die unvergesslichen Erfahrungen überwiegen bei Weitem, ja sind unbezahlbar!
Einblicke in andere Lebensformen nehmen zu dürfen, in der Natur zu sein, sich frei zu fühlen, ein Privileg, von dem viele Menschen träumen und das nur wenige umsetzen können. So viele Abenteuer zusammen gemeistert, so viel Unvergessliches zusammen erlebt zu haben, so vieles zu teilen, das verbindet – ein Leben lang.
Diese fast drei Jahre, gehören trotz ein paar Tiefs, zu den schönsten und intensivsten unseres Lebens und wir würden sie nie missen wollen.
Danke mein Liebster für die Zeit unseres Lebens. Mit dir komm ich überall hin. Jederzeit.
Aloha, so nun Weiss ich also auch wie es ist 3 Jahre unterwegs zu sein. Im Gegenzug bin ich 30 Jahre verheiratet und habe auch die eine oder andere Reise getätigt. Ihr habt verschiedene Aspekte beleuchtet und ich kann gut nachvollziehen dass es sehr viel Einfühlungsvermögen und Rücksicht gerade in so einer „engen Kiste“ braucht. Ihr macht das tip top und Euer Reisefieber ist ungebrochen. Ich wünsche Euch weiterhin „gutes Gelingen“ und viel Freude. Hezrliche Grüsse Rene Mehmann /Papi von Sabine
Sehr schön geschrieben – so wie es ist! Ich wünsche euch von Herzen, dass es weiter so sein wird, aber ich glaube schon (aus der Ferne beurteilt :-)).
Liebe Denise,
vielen Dank für deinen Kommentar und deinen lieben Wunsch!
Ich hoffe auch, dass es weiter so sein wird:))
Hallo ihr 2!
Das ist richtig toll und so schön authentisch beschrieben. Es tut gut zu lesen, dass dieses Glück-auf-Knopfdruck Gefühl auch bei anderen nicht so einfach ist. Ich bin zwar gerade ni ht auf Reisen, aber doch auch in einer Umbruchphase, die ich mir vorher viel leichter vorgestellt hatte. Aber Umgewöhnung braucht halt ihre Zeit.
LG Annika
Hallo Annika,
ja, manchmal stehen einem wohl die eigenen Erwartungen und Ansprüche im Wege.
Und wie du sagst, Umgewöhnung braucht Zeit – aber, es lohnt sich meist!
Alles Liebe Sabine
Wunderschön <3
So ehrlich, so nah, so realistisch!
Ich kriege so viel Lust auf diese Freiheit, wenn ich eure Berichte lese. So viel Lust, auf diese Lebensweise…
Alles Gute für eure weitere Reise!
Wow <3
Vielen lieben Dank Imke, für diesen wunderbaren Kommentar!