Blau so blau - Schwanger auf Weltreise
Diese Geschichte beginnt mit zwei blauen Streifen. Zwei blaue Streifen, die, obwohl herbeigesehnt, auch verunsichern. Zwei blaue Streifen, die all unsere Entscheidungen in den darauffolgenden Wochen beeinflussen. Zwei blaue Streifen, die verantwortlich für unsere tanzenden Herzen sind.
Als wir meine Schwangerschaft feststellen sind wir in Uruguay und knapp drei Jahre unterwegs in der Welt. Kurz davor sind wir aus Asien zurückgekehrt und wieder in unser rollendes Heim gezogen. Den Kopf voller Pläne und Ideen. Wir wollen Reisen und gleichzeitig unsere Online-Projekte ausbauen – unser selbst ernanntes Ziel: ein freies, selbstbestimmtes Leben, eine ortsunabhängige Arbeit. Der Zeitpunkt für eine Schwangerschaft also, obwohl gewünscht, nicht gerade ideal. Oder doch?
Schwangerschaft im Reisefahrzeug – geht das?
Mit der Bestätigung meiner Schwangerschaft mischen sich zur grossen Freude auch Zweifel. Unsere Ersparnisse sind beinahe aufgebraucht. Um unterwegs sein zu können, müssen wir Geld verdienen. Und leider ist unsere Auftragssituation alles andere als konstant.
Auch stellt sich die Frage, ob der Platz in unserem Reisefahrzeug ausreicht, ob sich die Reiserei mit meiner Schwangerschaft verträgt, ob wir jetzt nicht doch ein «sicheres Nest» bräuchten. Doch trotz aller Zweifel, die uns begleiten, wissen wir bald: wir möchten unterwegs bleiben. Wir möchten dieses freie Leben noch eine Weile weiterleben. Den Gedanken, dass du, unser Kind, nun Teil davon bist, finden wir wunderschön.
Vertrauen ins Leben
Als ich mich mit dem Thema Schwangerschaft auseinandersetze, merke ich, wie sehr es von Ängsten bestimmt ist. Für alles, das damit zusammenhängt, gibt es Vorschriften und Empfehlungen, wie idealerweise vorgegangen werden sollte. Viele Frauen scheinen dafür sehr empfänglich zu sein und lassen sich leicht verunsichern.
Ich gehöre nicht dazu. Ich weiss zwar nicht ganz genau wieso, aber ich trage ein Grundvertrauen in mir. Ängste, weil die Begleitung und Vorsorge in der Frühschwangerschaft auf ein Minimum beschränkt sein werden, habe ich nicht. Ich vertraue auf mich und mein Körpergefühl. Ich vertraue auf das Leben und darauf, dass alles gut kommt. Mein Partner teilt diese Ansichten zum Glück zu 100 Prozent.
Auf unseren Reisen konnte ich immer wieder beobachten, wie normal das Kinderkriegen, das Kinderhaben in vielen Teilen dieser Welt verläuft. Es passiert mit einer Natürlichkeit und ohne grosses Aufheben. Unter teils einfachsten Bedingungen wird der neuen Situation Rechnung getragen, die Kleinen sind ganz selbstverständlich einfach immer und überall dabei.
Aber ganz klar, meine Situation ist eine privilegierte. Ich habe die Gewissheit, möchte ich Zugang zu medizinischen Einrichtungen, kann ich mir das, im Gegensatz zu vielen anderen werdenden Müttern weltweit, leisten.
Viel Zeit für meine Schwangerschaft
Wie ich bald feststelle, bieten sich einige Vorteile bei "Schwanger auf Weltreise": dass ich mich ganz auf die Schwangerschaft und die damit verbundenen Veränderungen konzentrieren kann, empfinde ich als sehr schön.
Ich schlafe viel – und wann immer ich möchte. Habe Zeit, mich zu informieren, gesund zu kochen, mir Gedanken über den neuen Lebensabschnitt zu machen, in mich hineinzuhören. Ich realisiere die grosse (Vor-) Freude. Früh spüre ich die ersten Bewegungen unseres Kindes, was mir noch mehr Vertrauen gibt. Die Vorstellung, dass Mama und Papa von Anfang an, immer beide für unser Kleines da sind, beglückt mich.
Schwanger auf Weltreise: Untersuchungen in Chile
Ganz auf Vorsorgeuntersuchungen möchten wir trotz allem nicht verzichten. So nehmen wir in der 14. und 22. Schwangerschaftswoche Untersuchungen in Spitäler in Chile vor. Das Wichtigste bei den Checks: unser gutes Gefühl bestätigt sich zum Glück, alles verläuft normal und wie es sein sollte. Unser Kind zum 1. Mal zu sehen, den Herzschlag zu hören ist unglaublich. Die Ultraschall-Bilder bewahren wir, wie einen kostbaren Schatz.
Zudem sind die Untersuchungen eine interessante Erfahrung, die uns noch vertieftere Einblicke ins Land ermöglicht. Obwohl ich die Ärzte nicht kenne, fällt es mir leicht zu vertrauen. Ich fühle mich gut aufgehoben und werde vom «Gott in weiss», wie hier üblich, mit drei Küsschen begrüsst. Verständigungsproblem, gibt es keine. Ganz im Gegenteil: ich kann mich sogar auf Deutsch mit einem der Ärzte unterhalten - so hat er doch in der Schweiz studiert. Kleine Welt.
Glück gehört dazu
Aber ganz klar, dass das Reisen in einem Fahrzeug mit Babybauch überhaupt möglich ist, verdanke ich meiner so gut wie beschwerdefreien und dadurch unbeschwerten Schwangerschaft. Ich habe Glück. Verliefe meine Schwangerschaft anders, wäre schwanger auf Weltreise nicht verwirklichbar.
Auch die unkomplizierte Schwangerschaft bestärkt uns in unserer Entscheidung unterwegs zu bleiben. So können wir diese einmalige Zeit zusammen geniessen.
Reisen mit Babybauch
Als wir erfahren, dass noch jemand dabei ist, ändert sich unser Reiseverhalten. Wir bleiben länger an Orten, reisen langsamer. Wir passen unsere Route an und können gerade aufgrund der hohen Gebirgszüge in Südamerika einige Ziele nicht erreichen. Doch das stört uns nicht. Wir haben schon viel gesehen und auch mit dieser «Einschränkung» lässt sich noch genug erleben.
Das langsame Vorwärts gehen, passt auch gut zusammen mit unserer Tätigkeit als digitale Nomaden. Wir arbeiten viel. Dies verbessert unsere Auftragslage und schmälert dadurch auch die manchmal auftauchenden Zukunftsängste.
Wo gebären?
Schon früh machen wir uns Gedanken, wo die Geburt stattfinden wird. Wir ziehen verschiedene Möglichkeiten in Betracht, selbst eine Entbindung in Südamerika. Höre ich tief in mich hinein, verwerfe ich diese Möglichkeit jedoch.
Es ist nicht, dass wir den medizinischen Einrichtungen nicht vertrauen würden. Aber, wir möchten diese einmalige und herausfordernde Zeit auch mit Eltern, Geschwistern und Freunden teilen. Wir beschliessen, bis zum 8. Monat unterwegs zu sein und dann, nach 3.5 Jahren Weltreise, in die Schweiz zurückzukehren. Wir planen weiter selbstständig tätig zu sein, hoffen ein naturnahes und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Ein Leben in dem wir beide genug Zeit für unser Kind haben werden.
Babymoon
Bevor wir in unsere Heimat zurückkehren, machen wir Babymoon in Brasilien. Noch einmal wollen wir uns Zeit für uns, Zeit fürs Nichtstun nehmen. Den Babybauch im Meer baden und etwas Sonne tanken.
Es ist auch eine Verabschiedung von einer wunderbar freien Zeit- und eine Vorbereitung auf eine mindestens ebenso wunderbare Zeit.
Über uns
Im Mai 2014 brechen wir, Sabine und Andy, auf und erfüllen uns einen Traum – wir bereisen mit unserem selbst ausgebauten Toyota LandCruiser die Panamericana von Nord- nach Südamerika.
Wir sind mehr als zwei Jahre unterwegs, ehe wir am südlichsten Punkt ankommen. Unser Erspartes ist beinahe aufgebraucht, weshalb wir eine Entscheidung treffen: das Fahrzeug bleibt in Uruguay, während dem wir uns in Asien im Online-Bereich selbstständig machen wollen. Der Versuch glückt. Nach 9 Monaten kehren wir nach Südamerika zurück, mit dem Ziel Reisen und Arbeiten zu verbinden.
Kaum gestartet, realisieren wir, dass noch jemand mit an Board ist. Dennoch setzen wir unsere Reise durch Uruguay, Argentinien, Chile, Peru und Brasilien fort und kehren erst gegen Ende des 8. Schwangerschaftmonates in die Schweiz zurück.
Unsere Tochter kommt im Januar 2018 in der Schweiz zur Welt. Ohne Übertreibung ist es der schönste Tag in unserem Leben. Die Gedanken daran treiben uns wohl lebenslang Tränen des Glücks und der Dankbarkeit in die Augen.
Wir freuen uns sehr auf die gemeinsame (Lebens-)Reise mit unserem Mädchen!
Was für ein schöner Artikel! Ich kann nur bestätigen, dass es sich lohnt, weiter zu reisen mit Baby im Bauch. Und dass wir einfach dafür gemacht sind. Schön, dass du dein Urvertrauen behalten hast. Mein Tipp: Weiterreisen so lange es geht. Gerade mit so ganz Kleinen ist es ganz einfach. Die brauchen ja nur Mama und Papa. Aber selbst mit unserem Zweijährigen werden wir wohl noch etwa drei, vier Jahre unterwegs sein. Alles Liebe!
Liebe Laura, ganz herzlichen Dank für deinen Kommentar. Freut mich sehr, dass dir dieser doch sehr persönliche Artikel gefällt!
Eure Pläne klingen wunderbar. Auch unser Ziel ist so bald als möglich wieder unterwegs zu sein und unserem Mädchen die Schönheiten dieser Welt zu zeigen. Alles Liebe für euch!