In der ganzen Welt arbeiten Menschen ortsunabhängig. Sie suchen sich einen Ort, wo die Lebenshaltungskosten möglichst tief, die Arbeitsbedingungen und die Work-Life-Balance dafür möglichst gross sind. Die populärsten Destinationen sind dabei Bali, Chiang Mai, aber auch Dahab oder Lissabon.
Wie das Leben als digitale Nomaden wohl im südamerikanischen Paraguay gelingt? Annika und Jan ermöglichen Einblicke in ihren momentanen Alltag in Paraguay.
Vom Leben als digitale Nomaden in Paraguay
Paraguay, wo ist das überhaupt? Ich muss zugeben, hättest du mich das vor einem Jahr gefragt, hätte ich wahrscheinlich keine Antwort gewusst. Ich hätte es entweder in Südamerika oder Afrika vermutet. Heute weiß ich es besser, denn jetzt lebe ich mit meiner Frau als digitale Nomaden in einem der beiden einzigen Binnenstaaten Südamerikas.
Paraguay ist das Land des Tereré und auch wenn es nur relativ wenige Sehenswürdigkeiten gibt, so sind wir doch sehr positiv überrascht. Das Land ist flächenmäßig übrigens größer als Deutschland, hat aber weniger als ein Zehntel der Bevölkerung.
Aufgrund der eher ärmlichen Verhältnisse und dem Mangel an besonderen Sehenswürdigkeiten verirren sich eher weniger Touristen ins Land. Außerdem versuchen nur einige hundert Auswanderer pro Jahr hier Fuß zu fassen und jedes Jahr gehen etliche wieder zurück in ihre alte Heimat.
Wer jedoch als digitaler Nomade unterwegs ist, kann sich hier sogar günstiger niederlassen, als im sonst so beliebten Thailand oder Indonesien. Und hat gleichzeitig viel weniger Visa-Stress als dort, dazu aber später mehr. Zuerst noch etwas zu uns.
Wer wir sind und was wir machen
Ich möchte uns noch kurz vorstellen, wir sind Annika und Jan Thielemann, zwei digitale Nomaden und Weltreisende seit April 2015. Seit etwas über einem Jahr betreiben wir den Reiseblog Follow Your Feet, auf dem wir unsere Reise dokumentieren.
Nebenbei haben wir noch einen YouTube Kanal auf dem wir Eindrücke unserer Reise teilen.
Außerdem arbeiten wir an diversen anderen Projekten, um uns ein passives Einkommen aufzubauen und uns so das Reisen zu finanzieren.
Zur Zeit leben wir, wie bereits erwähnt, in Paraguay. Wir reisen gerne und wir wollen noch viel von der Welt sehen. Wir haben aber auch das Bedürfnis in fernen Ländern zu leben. Nicht nur wie ein Tourist von A nach B zu hetzen, Fotos von Sehenswürdigkeiten zu knipsen und uns dann auf den Weg ins nächste Land zu machen.
Wir lebten zum Beispiel mehrere Monate in Indonesien, mehrere Monate in Thailand, fast eineinhalb Jahre in Australien und nun eben in Paraguay. Hier werden wir mindestens ein halbes Jahr lang leben, vielleicht aber auch noch etwas länger.
Das Leben in Paraguay
Unser erster Eindruck von Paraguay war: "Oh, das ist aber... anders!"
Ich erinnere mich an unseren ersten Besuch in Bangkok im April 2015. Wir waren erschlagen, nicht nur vom Wetter. Es war der absolute Kulturschock. Wir gewöhten uns jedoch recht schnell an die südostasiatischen Begebenheiten.
Paraguay ist aber etwas ganz anderes und es lässt sich irgendwie schwer in Worte fassen. Gerade die ländlichen Regionen sind etwas ärmlich. Ärmere Familien wohnen in winzigen, aber dafür schön bunten einstöckigen Bungalows, in denen es maximal 2 - 3 Zimmer gibt.
Besser betuchte Familien haben schon mal mehr Zimmer oder ein zweites Stockwerk. Das sieht man jedoch eher selten außerhalb der größeren Städte. Die fünf größten Städte Paraguays haben zusammen übrigens gerade einmal knapp 1,5 Millionen Einwohner. Insgesamt gibt es im Land weniger als 7 Millionen Menschen.
Aber auch wenn es hier viele "arme" Menschen gibt, heißt das nicht, dass die Menschen unglücklich oder unzufrieden sind. Soziale Konstrukte wie die Familie sind sehr wichtig und man hilft sich gegenseitig. Wohin man auch schaut, die Menschen sehen glücklich aus.
Geht man am Wochenende durch eines der kleinen Dörfer, so sieht man überall Menschen auf ihren Klappstühlen im Vorgarten oder an der Straße sitzen - Tereré (Maté-Tee) schlürfend und dabei laute Musik hörend. Abends wird die Musik noch lauter aufgedreht, gefeiert, getanzt und viel gelacht - egal wie viel Geld auf dem Bankkonto ist.
Die landesweiten “Highways” sind stinknormale Straßen. Das höchste der Gefühle ist, wenn es mal zweispurig wird. In den Dörfern gibt es darüber hinaus nur wenige geteerte Straßen, wenn überhaupt.
Stattdessen bestehen die Straßen aus platt gefahrenen Dreck, in dem mal besser und mal schlechter Pflastersteine eingelassen wurden. Einige Straßen haben nicht mal Pflastersteine und wenn es regnet, verwandeln sie sich in Schlammpisten.
Dem Staat fehlt es schlicht an Geld für den Straßenbau und den Leuten scheint das egal zu sein, schließlich geht es auch so.
Schwierigkeiten im Alltag
Die einzigen Schwierigkeiten, die meiner Meinung nach gibt sind die Sprachbarrieren, die Aufenthaltsbestimmungen und die Möglichkeit an Geld zu kommen bzw. zu bezahlen.
Geld beziehen
Während wir es in westlichen Länder gewohnt sind kostenlos Geld am Automaten abzuheben oder mit Kredit- oder EC-Karte zu zahlen, nehmen die Banken in Paraguay rund 5 Euro Gebühren pro Transaktion.
Kartenzahlungen werden nur in größeren Supermärkten und Kaufhausketten (wie z. B. Inverfin) akzeptiert. Bei den günstigen Preisen hier, ist das aber alle Male verkraftbar und es soll ja sogar noch ein paar Banken geben, die die Gebühren von Automatenbetreibern aus Kulanz erstatten.
Sprache
Schwierigkeiten gibt es hier im Alltag kaum. Nun ja, solange man Spanisch spricht.
Wie in den meisten anderen Ländern Südamerikas ist auch in Paraguay Spanisch die Landessprache. Abseits der sehr wenigen Touristenregionen in den großen Städten (groß ist relativ, die Landeshauptstadt hat gerade einmal rund eine halbe Millionen Einwohner) spricht niemand Englisch.
Wirklich, wir haben hier in Doctor Juan Eulogio Estigarribia noch niemanden getroffen, der Englisch sprach!
Dafür hatten wir an einer Tankstelle eine lustige Begegnung mit einem jungen Tankwart, der tatsächlich relativ gut Deutsch sprach.
Das ist aber die Ausnahme, denn nur rund 1% der Bevölkerung spricht Deutsch. Davor kommen mit 2 - 3% Portugiesisch, etwas über 40% Guarani und gut 50% Spanisch, wobei die meisten Einwohner Spanisch und Guarani spreche.
Visa-Situation
Wie in jedem Land Südamerikas darf man (zumindest mit deutschem Pass) 90 Tage visumfrei im Land bleiben. Laut dem Auswärtigen Amt und der Webseite der paraguayischen Migrationsbehörde, kann der Aufenthalt einmalig um weitere 90 Tage verlängert werden.
Wir konnten unseren Aufenthalt jedoch auch ohne das dort beschriebene Prozedere verlängern und man sagte uns, dass wir auch das nächste Mal einfach wieder einen Stempel bekommen würden.
Bezahlt haben wir statt der veranschlagten dreihundert und nochwas Tausend Guarani lediglich 100.000 pro Person, was umgerechnet etwa 16 Euro entsprach. Ob wir das nächste mal wieder so problemlos einen Stempel bekommen, wird sich dann zeigen.
In der Theorie könnte man aber auch einfach alle 90 Tage in eines der Nachbarländer reisen und ein paar Tage später wieder einreisen und erneut 90 Tage bleiben. Ich habe noch nirgendwo etwas dazu gefunden, dass man sich eine bestimmte Zeit außerhalb des Landes aufhalten muss, bis man erneut einreisen darf. Wie wäre es da zum Beispiel mit einem Abstecher zu den größten Wasserfällen der Welt im Grenzgebiet von Argentinien und Brasilien?
Die Vorteile von Paraguay
Die Vorteile von Paraguay für digitale Nomaden liegen klar auf der Hand:
Das Leben in Paraguay ist sehr günstig.
Klar, es gibt bestimmt irgendwo noch günstigere Länder, aber Paraguay ist definitiv eines der günstigsten Länder in denen wir bisher waren.
Der Aufenthalt ist auch in Paraguay nicht unbegrenzt möglich, aber die Aufenthaltserlaubnis ist verhältnismässig grosszügig.
Es ist erlaubt 90 Tage im Land zu bleiben, danach muss verlängert werden, was einmalig um weitere 90 Tage möglich ist.
Oder aber, man reist in eines der Nachbarländer aus und erhält bei der Einreise abermals 90 Tage Aufenthaltserlaubnis.
Das Klima ist sehr angenehm. Nicht extrem heiss, nicht kalt.
Das Preis-/Leistungsverhältnis ist sehr gut.
Für wenig Geld können wir uns ein schönes Haus mitsamt Pool leisten. Die Lebensmittel sind frisch und günstig. Die Anschaffung eines Motorrads ebenso.
Außerdem liegt das Land sehr zentral und ist damit perfekt als Ausgangsort geeignet um Abstecher in andere Länder des Kontinents zu machen.
Die Nachteile von Paraguay
Das Land ist teilweise wenig entwickelt und das Internet lässt manchmal entsprechend zu wünschen übrig...
Außerdem verirren sich kaum Touristen hier her.
Somit gibt es wenig zu sehen und dazu noch wenige Möglichkeiten sich mit anderen digitalen Nomaden zu vernetzen. Will man jedoch hauptsächlich für sich selbst oder z. B. als Freelancer arbeiten, so bietet das Land dafür tolle Möglichkeiten.
Auch die Korruptionsrate im Land ist relativ hoch. Das muss als Tourist jedoch nicht unbedingt etwas Schlechtes sein, denn man kann sich aus einer brenzligen Situation schon mal "heraus schmieren".
Ich wüsste jetzt nicht genau, was für eine Situation das sein sollte aber es ist gut zu wissen, dass man mit ein bisschen Kleingeld größeren Problemen aus dem Weg gehen kann. Ich werde das mal als "neutral", statt als richtigen Nachteil.
Lebenshaltungskosten in Paraguay
Die Lebenshaltungskosten in Paraguay sind wirklich günstig. Das Durchschnittseinkommen liegt immerhin bei unter 5.000 Euro pro Jahr. Dementsprechend günstig ist das Leben.
Für unser schickes kleines Haus mit Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer, Outdoorküche, Arbeitsbereich und Pool zahlen wir schlappe 370€ pro Monat inklusive aller Nebenkosten wie Strom, Wasser und Internet. Wenns nicht unbedingt ein eigenes Haus mit Pool sein muss, kommt man bestimmt noch günstiger weg.
Unsere restlichen Ausgaben belaufen sich auf Lebensmittel und sonstige Dinge, die man halt so zum Leben in braucht. Diese sind ebenfalls sehr günstig und wir achten eigentlich gar nicht mehr auf Preise und kaufen nur im größten Supermarkt des Dorfes ein.
Kostenpunkt weniger als 350 Euro pro Monat für uns beide zusammen.
Für Lebensmittel zahlt man je nach dem entweder fast gar nichts oder ein Vielfaches von dem, was man in Europa zahlen würde.
Avocados kosten hier zum Beispiel weniger als 50 Cent - pro Kilo, nicht pro Stück! Ein kleiner Riegel Kit-Kat kostet hingegen fast 2 Euro. Saisonales Obst und Gemüse und so ziemlich alles, was nicht verarbeitet ist, ist relativ günstig (z. B. Reis, Nudeln, Mehl) während Süßigkeiten, Snacks und Fertiggerichte verhältnismäßig teuer sind (Milka Schokolade kostet bis zu 5 Euro pro Tafel).
Außerdem haben wir uns hier ein Motorrad gekauft. Eine 150er Taiga, damit wir auch mal ein bisschen herum kommen können. Wir hatten zwar ein paar Startschwierigkeiten, aber nun ist so gut wie alles erledigt und was schätzt du, haben wir bezahlt?
Das Bike haben wir im Laden neu gekauft - mit 0 km auf'm Tacho. Dafür haben wir nicht mal 600 Euro bezahlt. Dafür bekommt man in Deutschland mit etwas Glück einen gebrauchten Roller mit einigen tausend Kilometern.
Wie finanzieren wir unsere Reisen?
Stellt sich die Frage, wie wir das Leben hier bezahlen. Was machen wir eigentlich um Geld zu verdienen? Nun, ganz oben auf unserer Einkommensquelle steht momentan noch mein Job als Programmierer. Ich arbeite als Freelancer und entwickle Apps und andere Software.
Gleichzeitig arbeiten wir aber beide noch an diversen weiteren Projekten um uns ein passives Einkommen aufzubauen. Dieses soll uns so bald wie möglich unsere Reisen finanzieren, so dass wir nicht mehr auf meinen Job angewiesen sind.
Wir haben zum Beispiel im Laufe der letzten Jahre ein paar Bücher geschrieben, ich verkaufe meine eigene Software auf Marktplätzen und durch unseren YouTube Kanal bekommen wir auch ein paar Euro im Monat dazu.
Es gibt aber noch viel mehr Wege, wie man Geld verdienen kann ohne 8 Stunden von Montags bis Freitags für jemand anderen zu arbeiten. Zum Beispiel kann man auch mit Amazon FBA online Geld verdienen.
Noch mehr Tipps und Tricks zum Geld verdienen und sparen gibt es regelmäßig auf unserem Blog, also reinschauen lohnt sich.
Zukunftsträume
Momentan genießen wir das Leben hier in unserer schicken kleinen Villa mit Pool in vollen Zügen und arbeiten den ganzen Tag, sieben Tage die Woche für unsere Zukunft - und das meist weit mehr als 8 Stunden am Tag.
Unser Traum ist es unsere passiven Einkommensströme so weit zu vergrößern, dass sie unsere gesamten Fixkosten tragen können. Dann wollen wir den Rest der Welt sehen. Wir haben auf dem Dachboden von Annikas Großmutter eine Weltkarte zum Freirubbeln. Unser Traum ist es, jedes Land der Welt aufzudecken.
Mein persönliches Ziel ist es außerdem alle sieben Weltwunder (in allen Kategorien) zu sehen. Ein paar davon konnte ich schon von meiner Liste streichen. Zum Beispiel den Jesus in Rio de Janeiro (eines der “neuen” sieben Weltwunder) und die Iguaçu Falls, die größten Wasserfälle der Erde (eines der sieben Weltwunder im Bereich Natur).
Gleichzeitig möchten wir auch andere Menschen dazu ermutigen und inspirieren zu reisen und die Welt zu entdecken, denn wir finden das Leben viel zu kurz als es nur im Büro zu verbringen und auf die Rente zu warten. Da folgen wir lieber unseren Füßen und schauen, wohin sie uns tragen.
Fühlst du dich nun inspiriert? Dann schau doch mal auf unserem Blog oder unserem YouTube Kanal vorbei. Wenn du kein Update von uns mehr verpassen willst kannst du uns auch auf Facebook auf unserer Reise begleiten.
Über den Autor
Jan Thielemann ist selbstständiger Programmierer und Autor beim Reiseblog Follow Your Feet. Er produziert außerdem leidenschaftlich gerne Videos und engagiert sich gerne in Open Source Projekten, um das Internet zu einem besseren Ort zu machen.
Du findest ihn auf den bekannten sozialen Netzwerken.
Sehr spannend einmal von einer andern Destination für digitale Nomaden zu lesen. Ist ja echt günstig , das Haus mit Pool. Bin gespannt, wie es in Paraguay in ein paar Jahren aussieht.
Wünsche euch weiterhin eine gute Zeit und bin gespannt auf weitere aus Paraguay Posts von euch.
Hey Reni,
lieben Dank für deinen Kommentar! Als wir in Paraguay waren, war das Thema für uns ja noch nicht ganz aktuell, dennoch hat es uns im Land gut gefallen. Und dass Paraguay auch für digitale Nomaden interessant ist, wissen wir jetzt Dank Annika und Jan. Zu dem Haus mit Pool würden wir jedenfalls auch nicht nein sagen 🙂 Bin gespannt, was ihr alles erleben werdet in Paraguay und auch sonst.
Liebe Grüsse
Sabine